Sprichst du Englisch? Die Frage des zehnjährigen Mädchens mit der lila Haarsträhne kam zunächst etwas unerwartet. Eigentlich waren wir gerade dabei Nitinol-Draht, um alte Plätzchenformen zu wickeln. Angesprochen hatte sie mich, weil ihr meine blauen Haare gefielen, aber wir blieben nicht lange bei diesem Thema. Nachdem ich ihre Frage mit ja beantwortete, strahlte sie mich an und wollte für den Rest des Tages nur noch auf Englisch mit mir reden.
Szenen wie diese erleben wir im Schülerlabor ständig. Die Schulklassen kommen zu uns, weil ihre Lehrer sie für einen Projekttag angemeldet haben. Meistens freuen sich die Schüler auch darauf, der Schule für einen Tag zu entkommen und selbst zu experimentieren. Zu Beginn sind sie oft noch schüchtern, aber im Laufe des Tages tauen sie auf, stellen Fragen und erzählen. Und das nicht nur auf die Themen des Projekttages bezogen.
Mehr als ein Labor
Lina wollte mit mir Englisch sprechen, weil Englisch ihr Lieblingsfach ist. Mit Philipp aus der Schüler-AG, die nachmittags in Adlershof stattfindet, unterhalte ich mich fast jede Woche über Zauberwürfel und inzwischen bringt er auch jedes Mal einen seiner verrückten Würfel mit. Und Jonas fragte einen unserer studentischen Mitarbeiter neulich, ob der ihm seine Armmuskeln zeigen kann und wollte dann am Ende der Stationsarbeit mit großen Augen wissen, ob sie sich wiedersehen würden.
Das Schülerlabor ist ein Labor, ja, aber es ist auch mehr als das. Es ist ein Ort an dem Menschen aufeinandertreffen und teilen, was sie begeistert und bewegt. Als Freiwillige hier im Schülerlabor bin ich täglich mit Menschen zusammen, die aus den unterschiedlichsten Motivationen heraus im Schülerlabor arbeiten. Jeder von ihnen bringt seine eigene Begeisterung mit, für die Arbeit mit Kindern, für die Forschung, für die Physik. Eine Begeisterung, die ansteckend ist.
Probleme ansprechen
Auch die Kinder, die zu uns kommen, bringen alles mit, was sie zu Menschen macht -ihre Interessen und Erfahrungen, und auch ihre Probleme.
Als Felix vor ein paar Wochen für den Licht-und-Farben-Projekttag zu uns kam, da kam er als unzufriedenes und mürrisches Kind. Den ganzen Tag über wollte er nicht mitmachen, saß am Tisch oder stand in einer Ecke und starrte mit zusammengekniffenen Augen und verzogenem Mund vor sich hin. Ein Blick in sein Gesicht reichte, um zu sehen: er war sauer.
Erst kurz vor Ende des Tages erzählte er Ulrike, der Leiterin des Schülerlabors, in einem ruhigen Moment, warum er denn so wütend war. Letztendlich war es ein Problem zuhause, ein Familienmitglied, auf das er so sauer war, dass er sich an diesem Tag auf nichts anderes mehr einlassen konnte. Einerseits schade, denn das Schülerlabor ist so ausgebucht, dass seine Klasse erst im nächsten Jahr wiederkommen kann, aber andererseits war es auch in Ordnung so.
Das Schülerlabor ermöglicht eine Art zu Lernen, die Raum dafür bietet, wenn sich jemand mal nicht konzentrieren kann. Wir erleben die Kinder zwar nur für einen Tag, aber im Gegensatz zur Schule haben wir keinen Lehrplan, kein Thema, das wir lehren müssen. Wir können den Tag flexibel anpassen: Wenn nicht mehr genug Zeit für den letzten Versuch ist, dann ist das vielleicht schade, aber dafür lernen die Kinder in ihrem eigenen Tempo: Wie man eine Solarzelle baut, wie sich die Farben des Sonnenlichts zusammensetzen oder warum manche Materialien sich so verhalten wie sie sich verhalten. Und das ist es, an das sie sich am Ende erinnern werden. An „Oh, wie cool, das geht?” und “Ach, so funktioniert das?” und daran, wie es sich anfühlt, etwas selbst herausgefunden zu haben.
Zur Autorin: Lilly macht ein FJN, ein freiwilliges soziales Jahr in Wissenschaft, Technik und Nachhaltigkeit im HZB-Schülerlabor. Sie hilft mit beim Aufbau der Versuche und unterstützt Schülerinnen und Schüler beim eigenständigen Experimentieren. Was sie danach machen will, darüber denkt sie noch nach.
Weitere Beiträge zum Schülerlabor:
Hallo Lilly, ich kann mich da nur anschließen: Man spürt, dass Du in jedem Kind den einzelnen Menschen siehst und versuchst, auf jedes von ihnen individuell einzugehen. Das finde ich toll und das kann auch nicht jede*r – bewahre Dir diese Eigenschaft, wohin auch immer Dein Weg Dich führt!
Liebe Lilly, ich finde es beeindruckend, mit wie viel Fingerspitzengefühl du mit den Kindern und Jugendlichen redest und dass du ihnen Raum für ihre Gefühle gibst – trotz des Projekttagprogramms. Ich glaube, dass das so oft in der Schule fehlt: Zeit für Gespräche, Aufmerksamkeit und die Akzeptanz, dass man auch mal einen schlechten Tag hat. Ja, das macht uns Menschen aus – das hast du so treffend beschrieben. Danke für Deinen interessanten und etwas anderen Einblick in den Schülerlabor-Alltag.