Über Wellenreiten, stehende Wassertropfen und Chaos im Kinderzimmer
Endlich wieder live vor Ort: Am 28. Juli fand unsere erste Präsenzveranstaltung seit Corona statt, zu der Kinder und Jugendliche willkommen waren. Nein, nervös war deshalb niemand. Dafür haben die Kollegen, die seit vielen Jahren mit Physik-Häppchen zum Frühstück begeistern, einfach zu viel Erfahrung. Und sie strahlen immer noch viel Begeisterung dafür aus, was hier am HZB passiert – einem Ort, an dem es um Elektronen, Photonen und die fabelhaften Eigenschaften des Lichts geht.
Was hat BESSY mit einem unordentlichen Kinderzimmer zu tun?
Mehr als man im ersten Moment denkt. „Während man abends im Dunklen das Chaos einfach ausblenden kann, sieht man am nächsten Morgen, dass das mit dem Aufräumen am Tag davor leider nicht so gut geklappt hat. Licht macht also Dinge sichtbar. Und wir können erkennen, was das für Sachen sind, die rumliegen, welche Farben und Oberflächen sie haben“, sagt Markus Sauerborn, Chemiker und Projektkoordinator am HZB.
Und damit ist er mittendrin, warum das Licht bei unseren Forscher*innen bei BESSY II so begehrt ist. Zum Beispiel um herauszufinden, wie sich Corona-Viren vermehren. Das ist sehr wichtig, um ein Medikament zu finden, das die Vermehrung stoppt. Dann erzählt er, wie das besondere Licht von BESSY (oder korrekter: die elektromagnetische Strahlung) erzeugt wird. „Dafür beschleunigen wir Elektronen. Das ist ein bisschen so, als ob Elektronen Wellenreiten. Sie schwimmen mit der Welle mit und bekommen dann im richtigen Moment einen Schubs, der sie beschleunigt“. So anschaulich kann komplizierte Beschleunigerphysik sein.
Diskolampe und stehende Wasserstopfen
Natürlich blieb es nicht nur bei der Theorie. Der Hörsaal bei BESSY II verwandelte sich in ein kleines Experimentlabor mit schnurrenden Vakuumpumpen, Stickstoffkannen und allem, was dazu gehört. Torsten Kachel ist Physiker am HZB und auch seit vielen Jahren für die Veranstaltung „Physik zum Frühstück“ am Start. Er hält eine Diskolampe in der Hand und stellt einen Ventilator an, der sich in jeden PC befindet. Erst blitzt die Stroboskop-Lampe wahrnehmbar, dann stellt er die Frequenz der Blitze immer höher. Es blitzt so schnell, dass das Auge dies nicht mehr wahrnehmen kann.
Und bei etwa 30 Blitzen pro Sekunde passiert etwas, das die Zuschauer im Raum erstaunen lässt. Das Licht aus der Stroboskop-Lampe bringt den Ventilator zum Stehen. Ist das Zauberei? Nein, vielmehr eine Illusion. Denn die Lampe blitzt die Rotorblätter genau dann an, wenn sie sich an der gleichen Stelle befinden. Und unser Auge macht daraus: Der Ventilator steht still, obwohl er sich tatsächlich immer weiterdreht.
Dann zeigt Torsten Kachel noch, dass das auch bei einem chaotischen Wasserstrahl funktioniert. Einzelne Wassertropfen bleiben einfach in der Luft stehen und reihen sich wie eine Perlenkette aneinander. „Diesen Effekt machen wir uns auch bei BESSY II zunutze, wenn wir mit gepulstem Licht arbeiten. Wir untersuchen Prozesse, die ultraschnell ablaufen, und blitzen sie an, um sie beobachten zu können“, verdeutlicht Kachel.
Zum Schluss ein lautes Peng
Weiter ging es mit Experimenten zum Thema Vakuum: Wasser, das im Vakuum gefriert, eine Klingel, die stumm bleibt – und natürlich einen Schokokuss, der im Vakuum auf eine stattliche Größe anwächst. Doch was wäre Physik zum Frühstück, wenn`s nicht knallt? Also wurde zum Schluss noch flugs eine Kaugummidose mit flüssigem Stickstoff gefüllt, Deckel drauf, ein bisschen warten… und dann Peng und in Deckung gehen.
Physik zum Frühstück = ein Abend voller Fragen
Nach zwei wunderbaren Stunden mit vielen Aha-Erlebnissen war die Show vorbei. „Noch Fragen?“ Thorsten Kachel blickt in die Runde. Nachdem keine mehr aus dem Publikum kommt, sagt er: „Na dann seid ihr jetzt entlassen.“ Doch die Fragen kamen später – und zwar bei meinem Sohn um 21 Uhr: Wie ist das nochmal mit den Elektronen, wenn sie zusammenstoßen? Es war noch ein langer Abend für uns.
Ein großes Dankeschön für die spannende und lehrreiche Ferienunterhaltung geht an Torsten Kachel, Markus Sauerborn und Thomas Blume und an Sandra Fischer für die reibungslose Organisation der Veranstaltung.
Die Erzählung ist so lebendig, dass man sich die Experimente richtig bildlich vorstellen kann! Schön, dass ein Stück Normalität wieder möglich ist und wir die Kinder wieder zum Staunen bringen können!!!