Die neue Schreibwerkstatt@HZB: eine Stunde rund ums Schreiben
Seit kurzem haben wir eine kleine informelle Schreibwerkstatt am HZB. Wir probieren aus, wie wir unsere Texte lebendiger oder auch klarer und informativer machen können. Und dafür wühlen wir auch im Werkzeugkasten des Journalismus, probieren aus, was für unsere Zwecke passt. Beim letzten Mal ging es vor allem darum, sich von einer Geschichte ganz zu lösen und die Nachricht herauszukristallisieren. Und das erwies sich als weniger einfach als gedacht!
Eine ganz bekannte Geschichte
Ein Kind mit rotem Mützchen, von der lieben Großmutter handgestrickt, wandert durch den dunklen Wald. Dort trifft es auf den bösen Wolf und der hat – natürlich – einen heimtückischen Plan. Diese Geschichte haben die Gebrüder Grimm höchst lebendig erzählt, nicht ohne die passende Lehre hintendran zu hängen:
„Du willst dein Lebtag nicht wieder allein vom Wege ab in den Wald laufen, wenn dir’s die Mutter verboten hat.“
Doch was ist eigentlich die Nachricht?
- Eine Nachricht zeichnet sich durch ein paar Eigenschaften aus: Die Information muss wichtig für eine bestimmte Zielgruppe sein (Nachrichtenwert). Die Nachricht ist knapp und nüchtern formuliert. Sie enthält Antworten auf eine Reihe von W-Fragen (wer, wo, wann, was, warum, wie, woher, wieviele, wozu…). Und sie stellt die Neuigkeit an den Anfang.
Wie sieht also Rotkäppchens Geschichte als Nachricht aus?
Eine mögliche Lösung:
Seniorin und Enkelkind lebend aus Wolf gerettet
Gestern konnte ein Forstangestellter im Hambacher Forst zwei Personen lebendig aus dem Magen eines Wolfs herausschneiden. Der Jäger entdeckte das laut schnarchende Raubtier in einer Hütte. Aus dem abnorm geschwollenen Bauch des Wolfs drangen schwache Hilferufe der beiden lebendig verschluckten Opfer, einer Seniorin und ihrer Enkeltochter. Die beiden sind nun wohlauf. Der Wolf verstarb nach der OP.
Wir stellen fest: Infos ja, Moral nein.
Die W-Fragen sind beantwortet. Teilweise mussten wir dafür noch im Märchen nicht enthaltene Informationen ergänzen. Denn “Geschichten” sind häufig recht ungenau, wir wissen nicht, wo Rotkäppchens Wald liegt und auch nicht, wann der Vorfall stattgefunden hat. Nachfragen und weitere Recherchen sind nötig. Auch die moralische Botschaft fehlt. Das ist gut so bei einer Nachricht. Nachrichten sind eine sehr wichtige Textsorte. Am HZB schreiben wir die Web-News immer sehr nachrichtlich, ausgeweitet zum sachlichen Bericht. Aber natürlich und zum Glück sind Nachrichten und Berichte nicht die einzigen Textsorten.
Kurze (und unvollständige) Aufzählung der journalistischen Textsorten
- Bei einer Nachricht wird nicht einfach die Geschichte chronologisch nacherzählt, sondern die Zeitrichtung dreht sich auch um: das Neueste kommt zuerst, dann nur ein knapper Rückblick, sofern das zur Erläuterung nötig ist.
- Etwas ausführlicher als eine Nachricht ist der Bericht. Auch hier bleibt kein Platz für persönliche Meinungen oder gar moralische Appelle. Fakten und Erläuterungen zum Hintergrund, allenfalls ein paar wörtliche Zitate von wichtigen Leuten oder ein szenischer Einstieg lockern den Tatsachenbericht etwas auf.
- Das ändert sich bei der Reportage oder dem Feature: Hier können sich die Schreibenden austoben, natürlich stets auf Basis hervorragend recherchierter Fakten. Die Reportage gilt als die Königsdisziplin. Während Nachricht und Bericht das reine Handwerk sind, spielt in der Reportage auch der persönliche Stil der Schreibenden eine Rolle. Auch ihre persönlichen Überzeugungen können hier durchschimmern, vermittelt über Atmosphären, Gespräche mit Zeugen, Protagonisten und manchmal sogar einen Ich-Erzähler.
- Und natürlich gibt es auch einen ausgesuchten Platz für die eigene Meinung: der Kommentar. Dorthin passt dann auch ein guter Rat. Und so schrieb auch ein Teilnehmer der Schreibwerkstatt:
„Und der junge Wolf hätte besser auf seinen Großvater gehört. Denn der hatte ihn immer ermahnt: Du sollst deine Mahlzeiten nicht so gierig runterschlingen, sondern immer gründlich kauen! “
PS: Zur Schreibwerkstatt
Wir treffen uns meistens am Freitag, um 13:00, nur für eine Stunde, irgendwo am BESSY II. Wer mitmachen möchte, kann sich bei antonia.roetger@helmholtz-berlin.de melden. Bei Interesse biete ich dieses informelle Schreibtraining auch gerne in Wannsee an. Denn mit kurzen und konkreten Übungen lassen sich eigene Texte schnell besser lesbar machen.
Die Werkstatt ist sehr lebendig und fruchtbar. Ich finde es richtig spannend, dass jeder Teilnehmer eine andere Auffassung und Interpretation und seinen eigenen Schreibstil hat. Schöne kreative Vielfalt!
Wie nett! Ich freue mich, dass Ihr so engagiert und offen seid und vor allem: tolle Texte schreibt über Themen, in denen Ihr Euch richtig gut auskennt.
Ich finde die Schreibwerkstadt auch großartig. Und beim letzten Mal hat mir nicht nur die teilweise sehr witzige Interpretation des Märchens sehr gut gefallen sondern auch wie uns unsere Dozentin Rotkäppchen auf englisch erzählt hat. Natürlich war der Tee auch sehr lecker!