Neutronen aus dem BER II bringen die wahre Geschichte ans Licht
Das Metall ist dunkel angelaufen, die Oberfläche zerfressen, das Schwert sieht alt aus. Trotz seiner beachtlichen Länge von mehr als einem Meter ist es erstaunlich leicht und gut in der Hand zu führen. Schwach erkennbar ist eine Prägung auf der Klinge nahe am Griff, die an einen Wolf erinnert.
“Es fühlt sich nicht richtig an!”
„Dieses Schwert hat ein Sammler erstanden, der als Archäoschmied selber nach alten Schmiedetechniken Repliken von historischen Schwertern anfertigt“, erzählt Dr. Dirk Visser. Visser ist Physiker an der Universität von Loughborough, England, und darauf spezialisiert mit zerstörungsfreien archäaometrischen Methoden historische Metallobjekte zu untersuchen. „Es wurde als so genanntes Wulfsschwert verkauft und soll aus einer Passauer Werkstatt des 15.ten Jahrhunderts stammen. Doch nun haben fünf Experten es begutachtet und alle fanden etwas daran auszusetzen: das Gewicht ist nicht ganz wie es sein soll, der Querschnitt etwas anders als von anderen Schwertern aus dieser Werkstatt und einige sagten auch einfach, es fühle sich nicht richtig an.“
Die C14-Methode funktioniert nicht in Metall
Leider ist es bei Metall-Gegenständen nicht trivial, ihr Alter zu bestimmen. Die so genannte C14-Methode funktioniert nur in organischem Material. Dirk Visser ist daher über den Ärmelkanal nach Berlin gekommen, um hier am HZB an der Neutronenquelle BER II dieses Schwert gründlich zu untersuchen. Dabei hat er vorher noch einen Abstecher nach Solingen gemacht und aus dem dortigen Klingenmuseum noch drei weitere Schwerter mitgebracht.
Eigenspannungsanalyse verrät, wie das Schwert geschmiedet wurde
Eine Untersuchungsmethode ist die Eigenspannungsanalyse am E3-Instrument mit so genannten „thermischen“ Neutronen, die noch viel Energie besitzen. Der HZB-Physiker Robert Wimpory, der als Instrumentenbetreuer für das E3 zuständig ist, hat für die Messzeit sogar im Gästehaus auf dem HZB-Campus in Wannsee übernachtet. So konnte er jederzeit zur Stelle sein, wenn etwas hakt. Denn Messzeit ist kostbar, da dürfen keine Stunden verloren gehen. Mit der Eigenspannungsanalyse lässt sich zum Beispiel herausfinden, wie das Schwert während des Schmiedevorgangs bearbeitet wurde.
3D-Einblick mit Neutronentomographie
Für die zweite wichtige Methode am BER II hat Visser mit dem HZB-Experten Nicolay Kardjilov zusammen gearbeitet. Kardjilov betreut die kalte Neutronentomographie am Instrument V7, wo die Proben mit langsamen Neutronen durchleuchtet werden. Die Neutronentomographie ermöglicht dreidimensionale Abbildungen des Objekts und gibt einen tiefen Einblick in den inneren Aufbau des Materials. So lassen sich nicht nur wegpolierte Prägestempel sehr deutlich rekonstruieren, sondern auch unterschiedliche kristalline Phasen unterscheiden, die durch wiederholte Hitze- und Abkühlungszyklen während des Schmiedens entstanden sind.
Ob das Wulfsschwert wirklich echt ist, kann Dirk Visser jetzt noch nicht genau sagen. Die Auswertungen brauchen noch etwas Zeit. Aber es ist durchaus möglich, dass sich die Kunsthistoriker diesmal irren, und der Sammler ein ganz besonderes, aber dennoch echtes Schwert erstanden hat. „Das werden jetzt diese Analysen, aber auch der Vergleich mit anderen Passauer Schwertern zeigen“, hofft Visser.