Dr. Ulrich Schade ist von Anfang an bei BESSY II dabei und hat die IRIS-Beamline aufgebaut und weiterentwickelt. Dort werden die unterschiedlichsten Materialien mit Infrarot- oder Terahertzstrahlung untersucht, von biologischen Zellen über Supraleiter bis zu archäologischen Fundstücken. Heute spricht er mit uns über Respekt, Vielfalt und gutes Zusammenleben.
Was ist Ihnen beim Thema Diversität besonders wichtig?
In meinem Umfeld, also in der Forschung, taucht das eigentlich nicht als Problem auf. Ich bin da sehr offen und habe Vielfalt eigentlich nie als negativ empfunden: Jede und Jeder hat die gleichen Rechte. Aber natürlich, Diskriminierung kommt ständig vor in der Gesellschaft, das will ich nicht kleinreden.
An welchen Punkten Ihrer Arbeit spielt Diversität eine Rolle?
Ich arbeite in einem sehr internationalen Team, mit Menschen aus vielen Ländern, manche schon älter, andere noch jung. Darüber freue ich mich. Aber klar, ganz konkret, es gibt Unterschiede: Schauen Sie mal bei mir im Büro ins Regal, da stehen noch eine Menge Fachbücher. Bei den Jüngeren finde ich keine Bücher mehr, die lesen nur noch digital. Sie bringen viel Risikofreude mit, stehen unter hohem Druck, zu publizieren und voranzukommen. Wir Älteren können da manchmal ein bisschen mehr überlegen, Erfahrungen einbringen und natürlich unsere Kontakte, die wir ein Leben lang aufgebaut haben.
Wann hat es Sie weitergebracht, dass es unterschiedliche Meinungen zu einem Thema gibt?
Ich war als Nachwuchsforscher eine Zeitlang in Japan, dort lebte ich mit meiner Familie in einem Wohnkomplex für Forschungsgäste. Unter uns wohnte eine chinesische Familie, die kochte morgens, mittags und abends immer Fisch. Wir mochten den Geruch überhaupt nicht und da baute sich so ein kleines Ressentiment auf, muss ich leider zugeben. Doch als wir dann aus der Wohnung ausziehen mussten, und dringend nach einer neuen Bleibe suchten, da haben uns ausgerechnet diese Nachbarn geholfen. Das war für uns wirklich eine Offenbarung.
Wo gab es auch mal Reibung?
Also Reibung würde ich nicht sagen, eigentlich sehe ich auch kein Problem. Was mich aber stört, ist, wenn aus Diversität so ein Kampfbegriff gemacht wird. Das gibt dann den Menschen das Gefühl, dass ihnen was aufoktroyiert wird, was Abstraktes, von oben. Dabei muss man das doch konkret mit Leben füllen, vor Ort unter den Leuten selbst, da klärt sich das Zusammenleben, und wo nicht, muss man halt miteinander reden.
Für welchen Aspekt von Diversität (Herkunft, Gender, Alter, Behinderung, sexuelle Orientierung, Religion) sollte sich das HZB mehr engagieren?
Es ist eigentlich ganz einfach: Respekt vor unterschiedlichen Lebensbiografien.
Das Interview wurde geführt von Antonia Rötger.
„Diversity is a fact, inclusion is an act“
So lautet die Überschrift der Helmholtz-Leitlinie zu Diversität und Inklusion. Sie unterstreicht, dass Vielfalt in unserer Gesellschaft selbstverständlich ist, Inklusion aber bewusste Anstrengungen erfordert. Vielfalt umfasst ein breites Spektrum von Dimensionen und hebt die Unterschiede zwischen den Menschen hervor. Sie geht über Kategorien wie Nationalität oder Geschlecht hinaus und erkennt an, dass jeder Mensch in seinen persönlichen Lebensentscheidungen, Umständen, seiner Weltanschauung, seinem Hintergrund, seinen Fähigkeiten, Neigungen und seinem Aussehen einzigartig ist.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Diversität keine lästige, von oben aufgezwungene Ideologie ist, sondern ein integraler Bestandteil unserer Gesellschaft. Sensibilität für dieses Thema und ein aktiver Ansatz zur Integration sind von grundlegender Bedeutung für die Förderung eines erfolgreichen und kooperativen Umfelds.
Inklusion hingegen geht über die Anerkennung von Vielfalt hinaus. Es geht darum, unsere Kultur des Zusammenlebens aktiv zu gestalten, um Chancengleichheit für alle Menschen zu gewährleisten. Es geht darum, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich jede*r respektiert, wertgeschätzt und einbezogen fühlt, in der jede Stimme gehört wird und verschiedene Talente sich entfalten können. Inklusion erfordert ständige Bemühungen zur Förderung von Fairness, Offenheit und einem Gefühl der Zugehörigkeit. Es handelt sich um einen fortlaufenden Prozess, bei dem ein Umfeld geschaffen wird, in dem jede*r einzelne ermöglicht wird, persönlich zu wachsen und ihr*sein Bestes zu geben.
Die Anerkennung von Vielfalt als Tatsache und die Umsetzung einer aktiven Inklusionspolitik bilden die Grundlage für die Förderung einer erfolgreichen und harmonischen Zusammenarbeit. Indem wir das breite Spektrum der Vielfalt anerkennen, sensibel für die Bedürfnisse anderer sind und alle Menschen aktiv einbeziehen, können wir stärkere, innovativere und integrative Gemeinschaften aufbauen, von denen alle profitieren.
Geschrieben von Ribal Zeitouni.
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