Mahmoud Hussein ist Doktorand in der Abteilung Neuartige Materialien und Grenzflächen für photovoltaische Solarzellen. In diesem Interview spricht er über seine Erfahrungen bei der Arbeit in internationalen Teams und darüber, wie unterschiedliche Kulturen zum wissenschaftlichen Fortschritt beitragen können, indem sie kreatives Denken fördern.
Was ist Dir beim Thema Diversität wichtig?
Der wichtigste Aspekt bei Diversität ist für mich, dass Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenkommen. Und dabei ihre unterschiedlichen Perspektiven einbringen. Das ist sehr wichtig, denn das ist eine der Haupttriebkräfte der Wissenschaft. Denn wenn man Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund, aus unterschiedlichen Bildungssystemen und verschiedenen akademischen Teilbereichen in einer Forschungsgruppe zusammenbringt, dann verschmelzen all ihre Kenntnisse, Perspektiven und Erfahrungen. Und dann wird das Produkt ganz anders sein als es eine homogene Forschungsgruppe produzieren würde. Das ist das, was Innovation ausmacht.
An welchen Stellen Deiner Arbeit spielt Diversität eine Rolle?
Bei meiner Arbeit arbeite ich gerne mit Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammen. Da hat man die Möglichkeiten, sich gegenseitig kennen zu lernen und miteinander zu reden. Und es gibt einen offenen Raum, in dem die Leute über ihre Erfahrungen sprechen können und darüber, was sie an ihren früheren Arbeitsplätzen oder in ihrem früheren Umfeld gelernt haben.
Wenn man also die Möglichkeit hat, mit anderen Menschen zu sprechen, seine Kolleg*innen kennenzulernen, Ideen und Sichtweisen über Dinge auszutauschen, dann kann das inspierieren, die Fantasie beflügeln und das kann eben auch zu besserer Forschung und zu wissenschaftlichen Fortschritten führen.
Hast Du ein konktretes Beispiel dafür?
Letzten Sommer habe ich eine Universität in Japan besucht und mit einer Forschungsgruppe zusammengearbeitet, die dasselbe macht wie wir hier am HZB. Wir stellen die gleiche Art von Solarzellen her. Und ich habe viel von ihnen gelernt, weil sie sehr detailorientiert arbeiten – Details, denen wir in Deutschland kaum Beachtung schenken. Andererseits haben sie in Japan ihre Labors anders organisiert als wir. Und ich konnte ihnen sehr nützliche Tipps geben, wie sie ihre Instrumente und das Labor anders organisieren können, um ihre Arbeitsabläufe effizienter zu machen.
Hast Du auch ein Beispiel für etwaige Reibereien?
Natürlich kann man nicht garantieren, dass Diversität immer positive Auswirkungen hat. Menschen sind verschieden. Aber Reibung gibt es auch, wenn ein Team nicht vielfältig ist. Ich würde sogar sagen, dass die Wahrscheinlichkeit von negativer Reibung bei einer homogenen Gruppe höher ist als bei einer heterogenen. Ja, in einem heterogenen Team ist die Kollisionswahrscheinlichkeit höher, allerdings gibt es da auch viel mehr Platz zum Austausch. Und man wird eine viel bessere, konstruktivere Form von Reibung haben, weil jede*r aus diesem Austausch eine Menge lernen kann.
Wie könnte das HZB Deiner Meinung nach dazu beitragen, Diversität weiter zu fördern?
Ich denke, es wäre schön, wenn wir Austauschprogramme, insbesondere mit Ländern südlich der Sahara, durchführen oder junge Forscher*innen und Studierende häufiger zu uns einladen würden. Wir sind eines der weltweit führenden Forschungsinstitute, und in dieser Position haben wir eine Verantwortung, vor allem gegenüber weniger entwickelten Ländern. Und wir alle können von mehr Austausch nur profitieren. Diversität regt kreatives Denken an. Wenn man Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenbringt, entstehen wirklich geniale Ideen.
Das Interview wurde geführt von Ribal Zeitouni.
Diversität, kreatives Denken und Innovation – Strukturelle Hürden in der Wissenschaft
Diversität fördert Innovation. Und Innovation führt zu besserer Wissenschaft. Das ist soweit bekannt. Aktuelle Studien legen sogar nahe, dass Wissenschaftler*innen aus Randgruppen innovativere Arbeit leisten als ihre Kolleg*innen aus privilegierteren Gruppen. Und obwohl ihre Arbeit innovativer ist und wesentlich zum wissenschaftlichen Fortschritt beiträgt, sind Menschen aus Randgruppen immer noch in der Wissenschaft unterrepräsentiert. In der verlinkten Studie findest du weitere Informationen über diskriminierende Strukturen in der Wissenschaft, die wir gemeinsam abbauen müssen. Nicht nur für Gleichstellung, sondern auch für eine bessere Wissenschaft.
Geschrieben von Ribal Zeitouni.
Quelle:
Bas Hofstra et al. (2020): The Diversity–Innovation Paradox in Science. Proceedings of the National Academy of Sciences.117/17: 9284-9291. https://doi.org/10.1073/pnas.1915378117
Dieser Beitrag ist Teil einer Blogreihe zum Thema Diversity. Die weiteren Artikel findest du hier.
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