“Harry-wir machen jetzt mal hohe Spannung!”hörte ich gestern Nachmittag schon beim Betreten der bERLinPro-Halle, wo die Netzgeräte für die HF (Hochfrequenz) stehen. Gefolgt von einem unternehmungslustigen: “Das hat noch nie einer so gemacht!”
Meine Kollegen Andreas und Harry hatten mir Bescheid gesagt, als sie erstmalig den Sender für das bERLinPro “Gun”-Modul (= Elektronenquelle & Erste Beschleunigungsstrecke) in Betrieb nehmen wollten.
Die Nummer erschien mir aus zwei Gründen hochgradig “spannend” (im eigentlichen Sinn des Wortes): Erstens galt es aus Strahlenschutzgründen zu überwachen, was an der Röhre so passiert, und zweitens galt es auszuprobieren, was passiert, wenn “alle Regler rechts” gefahren werden. Ziel: 65 kV, also 65 000 Volt.
Zugegeben, in mir regte sich schlagartig mehr als Respekt, als ich da stand, mir das ganze Zeug ansah und an diese 65 000 Volt dachte. Was machen 65 000 Volt so mit einem, wenn man die abkriegt? Jetzt kenne ich die HF-Truppe ja als hochgradig kompetent und penibelst arbeitend, und die Anschlüsse sahen ja auch sehr vertrauenserweckend und neu aus. Aber was, wenn doch … irgendwas gleich …? Puff-grill-brizzl-weg-Antimaterie?
Ich beäugte den Monitor. Sie fingen erstmal langsam an. Mit 5 kV, dann mit 12 kV… alles lief gut, das komplizierte, aufwändig programmierte Kontrollsystem, die wichtigsten Parameter. Ausatmen, Roswitha, weiteratmen.
Der Aufbau des Hochfrequenz-Senders:
“Der Sender” an sich besteht aus drei Netzteilen im Erdgeschoß und einer vertikalen Röhre (dem sog. “Klystron”) im Untergeschoß im Raum neben der Beschleunigerhalle. In dieser Röhre fließt zwischen einer Kathode und einer Anode ein Strom in Form eines Elektronenstrahls. Wegen der hohen Spannung ist der Weg des Stroms vom Klystron zum Beschleuniger-Modul im Raum nebenan ein kurzer. Der Weg von den ebenerdigen Netzteilen zur Röhre nach unten dagegen kann ruhig ein langer sein, da passiert nicht viel.
Das rote Klystron im Untergeschoß macht ganz schön was her mit all seinen glänzenden Leitungen. Davor steht die Strahlenschutz-Überwachungs-Apparatur. Und meine Kollegen Harry und Andreas.
Und wie lief der Test?
Der Verlauf des Tests am späten Nachmittag war für mich wie folgt zu verstehen: Sowohl das Kontrollsystem des Senders, das Hochfahren der Spannung als auch so ein paar ganz knifflige Parameter wie Durchmesser und Brillianz des Elektronenstrahls oder die Temperatur im wassergekühlten Klystron waren sehr zufriedenstellend.
Unser Chef-Strahlenschützer war auch glücklich: In der Nähe der Röhre ist die Strahlung
nicht höher als auf unser aller Wohnzimmersofas, also im Bereich des geogenen, natürlichen Vorkommens.Damit kann die Betriebsgenehmigung beantragt werden. Man nennt das “Meilenstein”.
Und da ist sie auch, die Antwort auf die Frage, was 65 000 Volt so machen. Ich mußte mal wieder an meinen ehemaligen Kollegen Andrew denken, der, wenn er bei der Einreise in die USA nach seinem Beruf gefragt wurde, immer antwortete: “I help to make electrons go fast.” 65 kV powern die Gun. They help to make electrons go fast.