Seit Jahren arbeiten unsere Forscherinnen und Forscher intensiv am Ausbau des Elektronenspeicherrings zu einem Variablen Pulslängen-Speicherring (BESSY VSR). Nun wird es konkret: Am 30. Juli wird BESSY II für zehn Wochen abgeschaltet. Dann stehen die ersten Umbauten in der Experimentierhalle an, um BESSY VSR zu realisieren.
„Vor uns liegen vier oder fünf sehr anstrengende, aber auch höchst spannende Jahre“, sagte der Projektleiter Andreas Jankowiak bei der Bewilligung von BESSY VSR im Juni 2017. Mit diesen Worten deutete er auch den Arbeitsberg an, der auf die verschiedenen Teams am HZB nun zukommt. Nicht nur die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betreten bei der Realisierung von BESSY VSR Neuland. Auch die Techniker, Ingenieure, Bau- und Strahlenschutzexperten müssen neue Lösungen entwickeln.
Umbauen für BESSY VSR
„BESSY-VSR Systemintegration“ heißt das Arbeitspaket, das das Team – bestehend aus Roland Fleischhauer, Christian Jung, Gert Meyer und Ingo Müller – koordiniert. „Wir überlegen gemeinsam mit dem ganzen Projektteam, welche Voraussetzungen wir am Elektronenspeicherring schaffen müssen, um das Upgrade zu realisieren. BESSY VSR wird viele bauliche Änderungen nach sich ziehen. Das ist ein sehr komplexes Thema“, meint Jung und zieht ein Organigramm hervor. Darauf sind 13 Organisationseinheiten (OE) rot umkreist. „Mit diesen OEs stehen wir in ständigem Kontakt. Unsere Aufgabe ist es, mit allen Betroffenen zu reden, Lösungen zu finden und konkrete Teilprojekte zu planen.“
Während des Shutdowns wird das Team erste Aufgaben anpacken. Der Zeitplan ist eng getaktet. Ganz oben auf der Liste steht der Abbau des Multipol-Wellenlängenschiebers, der EDDI-Beamline und der Strahlenschutzhütten. „Dieser Platz wird benötigt, um die Kälteversorgung für die supraleitenden Kavitäten im Speicherring aufzubauen“, erklärt Ingo Müller, der Hand in Hand mit Christian Jung die Arbeiten im Shutdown koordiniert.
Kälteversorgung für supraleitende Kavitäten aufbauen
Die supraleitenden Hochstrom-Kavitäten sind eine Schlüsselkomponente, um BESSY VSR zu realisieren. Für ihre Kühlung braucht man eine aufwendige Infrastruktur, die in den nächsten zwei Jahren in der Experimentierhalle aufgebaut wird. „Dieses Jahr schaffen wir den dafür notwendigen Platz. 2019 werden wir dann am heutigen Standort der EDDI-Beamline eine 20 Tonnen schwere und vier Meter hohe Cold-Box aufbauen.“ Die supraleitenden Kavitäten müssen mit flüssigem Helium auf ihre Betriebstemperatur von -271 Grad Celsius (1,8 Kelvin) herabgekühlt werden. Gelagert wird das zunächst noch gasförmige Helium außerhalb der Experimentierhalle in Tanks. Durch eine unterirdische Leitung, die noch gebaut werden wird, soll das Helium in die Experimentierhalle zur Cold-Box strömen. Dort wird es verflüssigt und weiter durch die Halle in den Speicherring zu den Kavitäten transportiert. Richtig spektakulär wird es Ende 2019: Dann muss sogar das Dach der BESSY II-Experimentierhalle geöffnet werden. Denn die Coldbox ist so groß, dass sie durch keinen Eingang passt. „Es gibt leider keine Luke im Dach. Deshalb berechnen die Statiker und Bauexperten gerade, wie sich das Hallendach öffnen und möglichst schnell wieder schließen lässt“, so Müller. „Hierfür gibt es keine Standardlösungen.“
Weitere Projekte im Shutdown: eine Diagnose-Beamline und ein neues Labor für Fest-Flüssig-Grenzflächen
Und noch weitere Projekte stünden während des Sommershutdown an, erzählt Jung: Die Kollegen aus dem Institut für Beschleunigerphysik bauen eine Diagnose-Beamline für BESSY VSR in der Nähe der EMIL-Hütte auf. Darüber hinaus entsteht ein Labor für elektrochemische Untersuchungen an Fest-Flüssig-Grenzflächen (BElChem) an BESSY II, das Zugang zum Röntgenlicht benötigt.
„Diese Teilprojekte unter einen Hut zu bekommen, erfordert eine exakte Planung und Logistik. Und wenn der Shutdown am 26. Oktober beendet sein wird und die ersten Nutzerinnen und Nutzer vor der Tür stehen, muss alles wieder laufen wie zuvor“, sagt Christian Jung.