Die Initiative „Helmholtz-klimaneutral“ ist auf dem Höhepunkt der Klimaproteste im Herbst 2019 entstanden, als hunderttausende Menschen für mehr Klimaschutz auf die Straße gingen. Sie forderte, dass die Helmholtz-Gemeinschaft eine Vorreiterrolle einnehmen und sich ehrgeizigere Klimaziele setzen solle. Mit einen Brief an den Helmholtz-Präsidenten und einer Unterschriftensammlung brachte sie einen Stein ins Rollen. Seitdem ist viel passiert: Das Thema Klimaneutralität steht mittlerweile ganz oben auf der Tagesordnung der Gemeinschaft. Zwei Initiatoren des Netzwerks Helmholtz-klimaneutral erzählen, was sie antreibt, wer mitmachen darf – und was nun passieren muss.
Wer steckt hinter dem Netzwerk Helmholtz-klimaneutral? Und wie kam der Zusammenschluss zustande?
Saskia Förster (GFZ): Wir sind eine Mitarbeiter*innen-Initiative, die sich im Herbst 2019 gegründet hat. Das war in der Zeit der großen Klimaproteste und dem darauffolgenden „Klimapaketchen“ der Bundesregierung. Hartmut Ehmler hatte über den regionalen Verteiler von „Scientist for Future“ angefragt, ob wir uns Helmholtz-weit organisieren wollen. Gestartet sind wir mit sieben Gleichgesinnten aus dem DLR Berlin, dem HZB und dem GFZ, wo ich arbeite. Zuerst haben wir uns nur online getroffen, dann auch persönlich, zum Beispiel auf dem ersten Helmholtz-Sustainability-Summit am Max-Delbrück-Centrum. Schnell haben wir eine gemeinsame Basis gefunden. Wir haben überlegt, wie wir uns aus der Mitarbeiterschaft heraus für Sofortmaßnahmen zur Senkung der Emissionen und für eine Vorreiterrolle der Helmholtz-Gemeinschaft einsetzen können. So ist die Idee mit dem Brief an den Helmholtz-Präsidenten entstanden.
Hartmut Ehmler (HZB): Das war eine bewegte Zeit und wir waren enttäuscht von der Klimapolitik der Bundesregierung. Damals hätte ich mir gewünscht, dass sich die Helmholtz-Gemeinschaft stärker politisch positionieren würde. Durch die Diskussionen in der Gruppe habe ich aber gemerkt, dass dies unrealistisch ist. Wir haben uns dann dazu entschlossen, die Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln in unserer eigenen Gemeinschaft zu thematisieren. Bei dem Brief an den Helmholtz-Präsidenten ging es darum, einen Anstoß zum Handeln zu geben, aber wir wollten keine Konfrontation durch allzu konkrete Forderungen. Ich denke, dass uns dies gelungen ist. Über 2100 Mitarbeitende aus der ganzen Helmholtz-Gemeinschaft haben unser Anliegen mit ihrer Unterschrift unterstützt. Wir haben da offenbar einen Nerv getroffen.
In dem Brief an den Helmholtz-Präsidenten steht: „Wer, wenn nicht die Forschung in den Bereichen Erde & Umwelt, Energie und Verkehr, sollte eine Vorreiterrolle übernehmen? Wer, wenn nicht wir, sollte konsequente Schritte zur Klimaneutralität einleiten?“ Ist diese Forderung angekommen und verstanden worden?
Hartmut Ehmler: Der Helmholtz-Präsident hat unseren Brief wahrgenommen und uns ein Gespräch angeboten, das sehr konstruktiv verlief. Natürlich beschäftigt sich die Helmholtz-Gemeinschaft nicht erst seit unserem Brief mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Die Debatte um die Klimaneutralität wird schon seit längerem geführt, allerdings mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten in den jeweiligen Zentren. Mein Eindruck ist, dass der Druck von der Basis, der durch den Brief, aber auch auf dem ersten Sustainability-Summit deutlich geworden ist, auf Vorstandsebene wahrgenommen wurde. Dies hat sicherlich neuen Schwung gebracht, den wir jetzt unbedingt brauchen, um voranzukommen.
Ein Erfolg ist sicherlich, dass sich die Vorstände der Helmholtz-Zentren ein Jahr später ausdrücklich zur nachhaltigen Entwicklung bekannt haben. Was ist noch passiert?
Saskia Förster: Hinter uns liegt der zweite Helmholtz-Sustainability-Summit, der im September 2021 in Hamburg stattfand. Prof. Wiestler, der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, hat bei der Veranstaltung davon gesprochen, dass die Helmholtz-Gemeinschaft und die anderen deutschen Forschungsorganisationen bis 2035 klimaneutral werden möchten. Dazu ist mittlerweile eine Stellungnahme veröffentlicht worden. Dies ist ein wichtiges Signal an die Politik und Gesellschaft.
Was genau ist „Helmholtz-klimaneutral” und wer darf mitmachen?
Saskia Förster: Wir sind eine offene Gruppe von Mitarbeiter*innen aus den Helmholtz-Zentren, die sich neben ihrer Arbeit für das Thema engagieren und sich austauschen. Wir organisieren Netzwerk-Treffen, die online stattfinden und laden dafür auch Expert*innen als Vortragende ein. Viele von uns interessieren sich für Best-Practice-Beispiele und Maßnahmen aus anderen Helmholtz-Zentren. Auf Helmholtz-Ebene gibt es im Arbeitskreis Forum Nachhaltigkeit zwar einen engen Austausch, aber dort sind natürlich nur die offiziell mit dem Thema Nachhaltigkeit betrauten Personen aus den Helmholtz-Zentren vertreten. Bei uns kann sich jeder einbringen und mitmachen.
Hartmut Ehmler: Organisiert werden die Netzwerktreffen von einem Koordinationsteam. Die meisten aus diesem Team waren auch schon an der Unterschriftensammlung beteiligt. Wir haben keinen offiziellen Status in der Helmholtz-Gemeinschaft, sondern haben unsere Rolle quasi selbst erfunden. Dadurch können wir freier agieren und mehr Tempo einfordern.
Gibt es eine Konkurrenz zu den offiziellen Helmholtz-Gremien wie dem Arbeitskreis Forum Nachhaltigkeit?
Saskia Förster: Nein, überhaupt nicht, denn wir haben als Mitarbeiter*innen-Initiative eine ganz andere Rolle, die die bestehenden Strukturen gut ergänzt. Zudem stehen wir in einem sehr engen und vertrauensvollen Austausch mit den Koordinatoren des Arbeitskreises Forum Nachhaltigkeit. Uns verbindet unter anderem das gemeinsame Ziel, nämlich dass die Helmholtz-Gemeinschaft zum frühestmöglichen Zeitpunkt klimaneutral wird.
Hartmut Ehmler: Es ist tatsächlich ein Geben und Nehmen. Wir wollen ja kein reines Störfeuer sein, sondern unterstützen die positiven Entwicklungen. Dennoch nehme ich die Helmholtz-Gemeinschaft schon als schwerfälligen Tanker wahr. Deshalb drängen wir darauf, dass nicht nur Ziele verabschiedet werden, sondern dass wir jetzt auch schnell in die Umsetzungsphase kommen.
Wann haben Sie mit der Initiative Helmholtz-klimaneutral Ihr Ziel erreicht?
Saskia Förster: Das wird sicherlich noch eine Weile dauern. Notwendig sind einerseits Änderungen der politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen und Förderprogramme. Aber wir brauchen auch Engagement und Verhaltensänderungen auf allen Ebenen. Und natürlich brauchen wir Personen in den Zentren, die sich darum kümmern, dass die Transformation hin zu einer klimaneutralen Forschungsorganisation gelingt.
Klar ist: Die Mitstreiter*innen bei Helmholtz-klimaneutral tun das ja nicht zum Selbstzweck. Ich habe eine Vollzeitstelle als Wissenschaftlerin und es ist oft schwierig, nebenbei so viel Zeit aufzubringen. Warum ich mich trotzdem engagiere, hat einen einfachen Grund: Wenn wir das auf dem Pariser Abkommen verabschiedete 1,5 Grad-Ziel noch erreichen wollen, müssen wir unsere Emissionen sofort drosseln. Bei konstanten Emissionen wäre das weltweite CO2-Restbudget, um unter der 1,5 Grad-Marke zu bleiben, in weniger als acht Jahren aufgebraucht. Im Klartext heißt das: Jedes Jahr, in dem nichts oder wenig passiert, ist ein verlorenes Jahr. Das führt dazu, dass wir zum Ende hin immer weniger Zeit haben und die Maßnahmen noch drastischer ausfallen müssen. Das ist die Motivation, die uns antreibt. Deshalb freuen wir uns über jede und jeden, der mit anpacken will und gute Ideen beisteuert.
Interview: Silvia Zerbe
Über die Gesprächspartner
Dr. Saskia Förster arbeitet als Wissenschaftlerin auf dem Gebiet der Fernerkundung am Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches Geoforschungszentrum (GFZ).
Dr. Hartmut Ehmler ist Physiker und arbeitet als Projektkoordinator am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB).
Auf einen Blick
- Übersicht über die Initiative Helmholtz-klimaneutral: Poster „Über uns“ / Poster “Forschung im Einklang mit dem 1,5 Grad Ziel“
- Aufnahme in den E-Mail-Verteiler helmholtz-klimaneutral: E-Mail senden an sympa@listserv.dfn.de mit Betreff: sub hgf-klimaneutral Vorname Nachname (weitere Infos)
- Bekenntnis der Helmholtz-Gemeinschaft zur nachhaltigen Entwicklung
- Stellungnahme: Allianz der Wissenschaftsorganisationen will ihren Beitrag zum Ziel der Klimaneutralität leisten
- Helmholtz-Nachhaltigkeitsbroschüre
Das nächste Treffen
Das nächste Netzwerk-Treffen findet voraussichtlich am 29.11.21 statt. Anmeldung: s.o. E-Mail-Verteiler
Nachtrag: manchmal wird unsere Mitarbeitenden-Initiative namentlich mit der “Helmholtz Klima Initiative” verwechselt. Diese hat gestern eine tolle Konferenz veranstaltet: https://www.helmholtz-klima.de/aktuelles/ein-klima-viele-disziplinen
Ich denke wir geben den dort erzielten Forschungsergebnissen noch mehr Glaubwürdigkeit, wenn wir die notwendige Transformation an unseren Zentren selbst vorantreiben.