Ein Beitrag von Swantje Furtak
Das Buchcover erinnert an ein Kunstwerk, ein rotes Ölgemälde, abstrakte Formen – ganz ästhetisch. Ich will den Fotoband gerade aufschlagen, da betritt in schwingendem Schritt ein Mann das Treppchen hinter dem Rednerpult. Für einen kurzen Moment blicke ich ihm direkt in die Augen.
6.September, Naturkundemuseum, „The Antropocene is you“ Vortrag von J. H. Fair.
Er packt seine Tasche aus, öffnet den Laptop. „Start?“ Fragende Augenbrauen. „Climate Change is real.“ Seine Stimme donnert durch den Saal.
Henry Fair, New Yorker Fotograf und Umweltaktivist. Er weckte internationales Aufsehen mit seiner Fotoserie „Industrial Scars“. Aus der Vogelperspektive dokumentiert er Industrielandschaften, Giftmüllablagerungen und Tageabbaugebiete. Bilder, die momentan in der Multimedia-Ausstellung „Artefakte“ des Naturkundemuseums präsentiert werden. Am 6. September 2019 wurde er von den Organisatoren der Fridays-For-Future-Demonstrationen eingeladen, seinen Bildern eine Stimme zu verleihen.
Wenn man über Landschaften fliegt, können Gesellschaften nichts verbergen. Man sieht Industriekomplexe, Braunkohlebecken, Abwasserkanäle in vollstem Ausmaß. Der Fotograf läuft auf und ab, redet, noch immer energisch. Er hat etwas gesehen, was wir nie sehen werden, möchte erzählen, möchte gehört werden. Er öffnet ein Bild, Blau von loderndem Rot durchzogen. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko 2010. „Now I know what it is like to be a journalist at war“. Im Rot des Bildes flammt ein Gedanke auf: Wie unentbehrlich solche Menschen, die den Überblick behalten, doch für unsere Gesellschaft sind.
Fairs Bilder provozieren. In den fragenden Nachhall hinein stellt das Naturkundemuseum die Arbeit von zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des europäischen Joint Research Centers. Sie berichten über ihre Forschung und erklären Herausforderungen um Ressourcen wie Wasser, Ernährung und Luft, denen wir momentan gegenüberstehen.
Ein junger Mann meldet sich zu Wort: „But how do we combat the denial of scientific research and climate change?“ Fair blickt zu Boden, lacht trocken. „You know that in Amerika no one knows Greta Thunberg?“. Dann sieht er wieder auf. „Dialogue doesn’t work. Only feelings may change opinions.“ Er deutet auf die Projektorleinwand hinter sich, es ist das Bild des Buchcovers, ein rotes Ölgemälde, abstrakte Formen – ganz ästhetisch. Er nutzt schöne Farbgewalten, um auf umweltverachtende Methoden hinzuweisen. „I personally try to use art and irony.“
Dies ist keine gewöhnliche Ausstellung. Nach einer gewissen Zeit hören Menschen auf, sich vom Schrecklichen schockieren zu lassen, Bilder von toten Seevögeln oder Baumstämmen rufen mittlerweile nur noch ein Schulterzucken hervor.
Mehr wie ein lautes Aufstampfen hängt das Naturkundemuseum Fairs Bilder auf. Blickt her! Alle! Tritt man anschließend hinter die Stellwände der Bilder, erklären die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, worauf Gesellschaft und Politik achten müssen. Es ist eine originelle Art, Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken.
„Why don’t you show those pictures directly to our government? They really have the power to change something.“ Ich bin überrascht meine eigene Stimme zu hören, die niederschmetternden Bilder im Kopf. Fair macht einen Schritt auf mich zu. „Because movement needs to come from the bottom. Our government is paid. They will nod condescendingly, but they won’t do much.“ Er hält kurz inne. „Unless you step out on the street and say that it is not okay. That is why I show the pictures to you.“ Er steht direkt vor mir, sein Finger deutet auf mein pochendes Herz. Mit dem Buch des roten Ölgemäldes im Arm nicke ich und flüstere „I promise, I will.“
Workshops zum Klimawandel @MfNberlin
Die Begegnung fand im Rahmen der Workshopreihe Klimawandel statt, die das Museum für Naturkunde mit Fridays4Future veranstaltet. Diese Workshops finden immer freitags ab 13:30 Uhr statt. Dabei können sich Jugendliche mit Expertinnen und Experten austauschen. Auch Forschende aus dem HZB bieten dort Workshops an, insbesondere zu Solarenergie und solaren Brennstoffen.
Die Ausstellung läuft noch bis 20. Oktober 2019
Der in New York lebende Künstler J Henry Fair fotografiert schwer zugängliche Industriegebiete, Giftmüllablagerungen und Kohleabbaugebiete aus der Vogelperspektive und dokumentiert die teilweise katastrophalen Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Natur durch großformatige, ästhetisch höchst anspruchsvolle Bilder.
Mehr Informationen zur Ausstellung Artefakte hier.